Verstopfung

Verstopfung (Obstipation): Erschwerte, verzögerte und zu seltene Darmentleerung (weniger als dreimal pro Woche), oft mit Schmerzen und hartem Stuhl verbunden. In Deutschland leidet ein Drittel der Bevölkerung zeitweise unter Verstopfung und ein Viertel der über 60-Jährigen unter chronischer Verstopfung. Von chronisch wird gesprochen, wenn die Beschwerden in den letzten zwölf Monaten für mindestens drei Monate aufgetreten sind. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Ursachen und dementsprechend auch die Behandlungsstrategien sind vielfältig. Bei ständiger Verstopfung (chronisch habituelle Obstipation) steht – nach Ausschluss schwerwiegender Erkrankungen – eine Änderung der Lebensweise im Vordergrund.

Leitbeschwerden

  • Weniger als drei Stuhlentleerungen pro Woche
  • Harter Stuhlgang
  • Pressen bei der Stuhlentleerung
  • Gefühl unvollständiger Darmentleerung

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn die Beschwerden bereits mehrere Wochen dauern.

Die Erkrankung

Viele Menschen reagieren auf Veränderungen im Tagesablauf mit Verstopfung und brauchen z. B. im Urlaub immer erst ein paar Tage, bis sich wieder eine normale Verdauung eingestellt hat. Auch eine Schwangerschaft, fieberhafte Erkrankungen, Bettlägerigkeit und Schichtarbeit gehen häufig mit einer – meist vorübergehenden – Verstopfung (situative Obstipation) einher.

Auch eine chronische Verstopfung hat nur selten Krankheitswert, am häufigsten ist sie Folge von Bewegungsmangel, ballaststoffarmer Kost, zu geringer Flüssigkeitszufuhr und Unterdrückung des Reizes zur Stuhlentleerung (chronisch habituelle Obstipation); eine krankhafte Veränderung der Darmfunktion kann meist nicht festgestellt werden. Durch den Mangel an Flüssigkeit, bei älteren Menschen oft als Folge eines mangelnden Durstgefühls, und zu wenig Ballaststoffen in der Ernährung verfestigt sich der Stuhl mehr und mehr und wird von einem träge gewordenen Darm nur langsam vorwärts bewegt. Begünstigt wird die verzögerte Darmpassage des Stuhls auch durch Bewegungsarmut. Verspürt der Betroffene den Drang zur Toilette, ist der Stuhl oft so hart, dass er nur noch unter Schmerzen aus dem Darm gepresst werden kann. Zwischen den Stuhlentleerungen besteht oft Völlegefühl. Manchmal kommt es bei lang anhaltender Verstopfung zu einer so starken Stuhlverhärtung, dass sich der Stuhl im Darm staut (Kotstauung, Koprostase) oder Kotsteine (Kotballen) entstehen, die im Darm festsitzen und eventuell die Darmpassage behindern, wodurch sich der davor gestaute Stuhl verflüssigt und es zu „paradoxem Durchfall" kommt.

Dieses Phänomen findet sich jedoch auch bei Dickdarmtumoren, die das Darminnere einengen, weshalb diese ausgeschlossen werden müssen.

Eine weitere relativ häufige Verstopfungsursache ist der Reizdarm, wobei die Verstopfung in diesem Fall vermutlich auf einer funktionellen Störung der Darmmotorik beruht.

Eine chronische Verstopfung wird nicht selten durch die Dauereinnahme von Abführmitteln hervorgerufen, die über eine vermehrte Ausscheidung von Kalium die Darmträgheit zusätzlich verschlimmern. Auch bei anderen Medikamenten, vor allem bei magensäurebindenden und blutdrucksenkenden Medikamenten, Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmitteln, Kodein, Opiaten, Anticholinergika und Colestyramin droht als Nebenwirkung eine Verstopfung.

Eher selten wird eine Verstopfung durch organische Darmerkrankungen verursacht; in diesem Fall setzt die Verstopfung oft plötzlich innerhalb von Stunden oder Tagen ein. Ursache ist meist eine Verengung durch entzündliche Prozesse (z. B. Divertikulitis), gut- bzw. bösartige Wucherungen der Darmschleimhaut (z. B. Darmpolypen oder Darmkrebs). Eine Verstopfung wird auch durch Erkrankungen der Analregion (z. B. Analfissuren oder Hämorrhoiden) begünstigt.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Tritt eine Verstopfung plötzlich auf, lassen sich schwerwiegendere Krankheitsursachen wie Divertikulitis, Darmvertikel oder Darmkrebs oft mit bildgebenden Verfahren wie Bauchultraschall und Darmspiegelung klären – vor allem, wenn weitere Symptome wie heftige Bauchschmerzen oder Blut im Stuhl hinzukommen. Ergänzend können eine Tastuntersuchung des Enddarms und eine Blutuntersuchung Aufschluss bringen, so z. B. der Nachweis möglicher Entzündungszeichen (erhöhte BSG, CRP, Leukozytenzahl bei Divertikulitis) und/oder der Nachweis von okkultem Blut (Hämoccult®). In einigen Fällen ist auch bei chronischer Verstopfung eine Laboruntersuchung sinnvoll, etwa bei Verdacht auf Schilddrüsenunterfunktion oder Abführmittelmissbrauch. Ergeben die Untersuchungen keinen Hinweis auf eine organische Erkrankung, handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um eine habituelle Obstipation oder einen Reizdarm.

Therapie. Ziel der Therapie ist, die Darmtätigkeit durch ballaststoffreiche Kost, viel Flüssigkeit und erhöhte körperliche Aktivität wieder zu normalisieren. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, kann der Betroffene die Nahrung mit weiteren nicht verdaulichen Quellstoffen, z. B. Weizenkleie und/oder Leinsamen anreichern. Wenn diese nicht den gewünschten Erfolg bringen, kann die Nahrung mit Flohsamen und/oder Methylcellulose ergänzt werden. Wichtig ist, diese Mittel grundsätzlich mit viel Flüssigkeit einzunehmen, sonst verstärken sie eher die Verstopfung und führen im Extremfall zu einem Darmverschluss. Quellstoffe sollten ohne ärztliche Rücksprache nicht länger als zwei Wochen eingenommen werden: Bei täglicher Anwendung in hoher Dosierung besteht wie bei allen Abführmitteln die Gefahr, dass dem Körper zu viel Wasser und zu viele Mineralsalze entzogen werden.

Versagt auch diese Vorgehensweise, kann der Betroffene als letzte Möglichkeit Lactulose (z. B. Bifiteral®) einnehmen, die dafür sorgt, dass der Stuhl weicher und die Entleerung des Darms einfacher wird. Laktulose hat allerdings den Nachteil, dass sie unangenehme Blähungen verursacht und von Menschen mit Galaktoseintoleranz (angeborene Unverträglichkeit von Galaktose) nicht angewendet werden darf. Ansonsten gilt auch für Laktulose, dass eine längerfristige Anwendung nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen soll. Andere Abführmittel sind bei chronischer (habitueller) Verstopfung grundsätzlich nicht angezeigt.

Stärker wirksame Abführmittel. Liegt eine andere Erkrankung zugrunde, wird der Arzt versuchen, durch Behandlung dieser Krankheit die Verstopfung zu lindern, z. B. durch Gabe von Schilddrüsenhormonen bei Schilddrüsenunterfunktion.

Bleibt die Verstopfung trotz Behandlung der Grundkrankheit bestehen, wie dies häufig bei einer Diabetes bedingten Neuropathie der Fall ist, oder erhalten Krebspatienten zur Schmerztherapie verstopfende Opioide, werden in Einzelfällen auch stärkere Abführmittel verordnet. Dazu zählen Bisacodyl (z. B. Dulcolax®) oder Natriumpicosulfat (z. B. Laxoberal®). Diese Medikamente reizen die Darmwand und bewirken dadurch verstärkte Bewegungen, so dass der Speisebrei schneller befördert wird und die Ausscheidung rascher erfolgt. Wegen ihrer Nebenwirkungen sollten sie nur für kurze Zeit eingenommen werden.

Zur kurzfristigen Darmsäuberung eignen sich auch Bittersalz (Magnesiumsulfat) und Glaubersalz (Natriumsulfat), die den Stuhl aufweichen bzw. die Peristaltik (Wandbewegungen des Darms) anregen. Macrogol (Movicol®) ist ein gutes Abführmittel, das von den Betroffenen leicht selbst dosiert werden kann.

Paraffinöl, das die Gleitfähigkeit des Stuhls erhöht, ohne eine pharmakologische Wirkung auf den Darm zu haben, wird wegen seiner Nebenwirkungen, z. B. verminderter Resorption (Nährstoffaufnahme im Darm) fettlöslicher Vitamine, nur noch selten eingesetzt.

Anthranoide sind Wirkstoffe pflanzlichen Ursprungs zur Linderung von Verstopfungen. Ihre stark abführende Wirkung beruht ebenfalls auf einer Reizung der Darmwand. Gleichzeitig wird die Schleimsekretion angeregt und die Rückführung von Wasser und Salzen aus dem Darm vermindert, so dass der Stuhl flüssiger, weicher und gleitfähiger ist. Je nach Wirkungsintensität löst der Wirkstoff 6–10 Stunden nach Einnahme durchfallartige Stühle aus. Anthrachinonhaltige Pflanzen sind Aloe, Cascarinde, Sennesblätter und -früchte, Faulbaumrinde, Rhabarberwurzel und Kreuzdornbeeren, wobei Aloe die stärkste und Kreuzdornbeeren die schwächste Wirkung haben.

Zu den Nebenwirkungen zählen Mineralienverlust, insbesondere von Kalium, Darmschleimhautentzündungen und kolikartige Unterleibsschmerzen. Auch eine Krebs erregende Wirkung wird diskutiert. Deshalb werden Anthranoide nur noch für maximal zwei Wochen eingesetzt, wenn andere Maßnahmen keine Linderung bewirkt haben.

Selbsthilfe

Sofern keine behandlungsbedürftige Darmerkrankung besteht, lässt sich die Verdauung auf lange Sicht nur normalisieren, wenn Sie ungünstige Lebens- und Ernährungsgewohnheiten ändern. Die Schwerpunkte sind:

Ernährung umstellen. Vollwertkost (mehr dazu im Abschnitt Ernährung) mit einem hohen Ballaststoffanteil ist zur Beseitigung einer Verstopfung unverzichtbar. Da viele Menschen zunächst mit Unverträglichkeitsreaktionen wie Blähungen und Völlegefühl auf eine ballaststoffreiche Ernährung reagieren, sollten Sie bei der Ernährungsumstellung am besten schrittweise vorgehen, damit der Körper genug Zeit hat, sich umzugewöhnen. Anfangs erhöhen Sie den täglichen Obst- und Gemüseanteil; auch Trockenfeigen, Dörrbirnen und -pflaumen sind hierfür geeignet. Als Nächstes ersetzen Sie Weiß- oder Mischbrot durch Vollkornbrot und Müsli. Essen Sie nichts, was Ihnen nicht bekommt. Wenn Sie z. B. Weißbrot deutlich besser vertragen als Vollkornbrot, hilft vielleicht stattdessen ein täglicher Apfel, Ihre Verdauung anzuregen. Außerdem können Sie den Faseranteil im Essen erhöhen, indem Sie hin und wieder Haferflocken in Milch oder Joghurt einweichen. Sauermilchprodukte wie Joghurt oder Dickmilch sollten ebenfalls regelmäßig auf dem Speiseplan stehen. Sie wirken sich positiv auf die Darmflora aus und helfen damit, die Verdauung zu normalisieren.

Quellstoffe. Leinsamen, Weizenkleie sowie Flohsamenschalen oder indischer Flohsamen (erhältlich in Reformhäusern oder Apotheken) regen die Verdauung an und machen den Stuhl voluminöser, weicher und geschmeidiger. Diese Eigenschaften entfalten sie jedoch nur, wenn sie mit viel Flüssigkeit eingenommen werden. Da sie geschmacksneutral sind, können sie in Joghurt, Müsli oder auch in Orangensaft eingerührt werden.

Ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Trinken Sie mindestens 2 L pro Tag und steigern Sie Ihre Trinkmenge eventuell auf 3 L, wenn Sie Ihre Ernähung auf eine überwiegend ballaststoffreiche Kost umstellen. Da Ballaststoffe stark quellen, verstärken sie bei einer zu geringen Flüssigkeitsaufnahme zunächst die Verstopfung.

Regelmäßige Bewegung. Wenn kein regelmäßiger Sport möglich ist, lässt sich bestimmt ein Spaziergang von 20–30 Minuten Dauer in den Tagesablauf einfügen. Fehlt Ihnen auch dafür die Zeit, sollten Sie sich angewöhnen, Treppen zu laufen und konsequent auf Lift und Rolltreppen zu verzichten.

Sanfte Anregung der Darmtätigkeit. Ein Glas lauwarmes Wasser oder Obstsaft als Morgentrunk gleich nach dem Aufstehen regt die Darmtätigkeit ebenso an (gastrocolonischer Reflex) wie eine 10-minütige Morgenmassage, bei der man beide Hände auf den Bauch legt und dann wiederholt mit sanftem Druck im Uhrzeigersinn nach unten streicht. Eine Wärmflasche, feuchtwarme oder trockenwarme Wickel, z. B. mit Schafgarbe oder Heilerde, für den Unterbauch lindern Druckgefühle und steigern ebenfalls die Darmtätigkeit.

Stuhldrang nicht unterdrücken. Achten Sie auf Körpersignale: Suchen Sie bei Stuhldrang stets möglichst rasch die Toilette auf und unterdrücken Sie ihn nicht. Möglicherweise bietet es sich an, den Darm zu „erziehen“, indem man sich jeden Tag etwas Zeit nimmt und immer zur gleichen Uhrzeit auf die Toilette geht.

Klistiere. Wenn in akuten Fällen nichts anderes hilft, ist die Anwendung eines Klistiers sinnvoll und ungefährlich. Praktisch sind Fertigprodukte auf Glycerinbasis wie z.B. Microklist®, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind.

Komplementärmedizin

Homöopathie. Mittel der Hömöopathie sind bei Verstopfung u. a. Alumina, Bryonia, Calcium carbonicum, Nux vomica und Sulfur. Zudem stehen homöopathische Komplexmittel (z. B. Bryonia Pentarkan®) zur Verfügung.

Kolonhydrotherapie (Colon-Hydro-Therapie). Verstopfung ist eine klassische Indikation der Kolonhydrotherapie, einer Weiterentwicklung der Darmspülung. Hierbei wird der Dickdarm mit rund 10 L Wasser (25–41 °C) durchspült. Für den Ein- und Ablauf wird ein spezieller Apparat benutzt. Die Wirksamkeit der Therapie bei Verstopfung erscheint vielen Patienten zwar plausibel, ist aber wissenschaftlich gesehen fraglich, es existiert bisher kein wissenschaftlicher Nachweis darüber; eine andere, behandlungsbedürftige Darmerkrankung sollte aber vorher sicher ausgeschlossen sein.

Kritiker verweisen zudem auf die Risiken: So werden neben dem mechanischen Spülen und Entleeren des Darmes auch die lebensnotwendigen Darmkeime ausgeschwemmt und abgesehen von Nebenwirkungen wie Darmkrämpfen, Übelkeit und Brechreiz sind Fälle von Darmperforationen oder Darmblutungen bekannt. Auf der anderen Seite profitieren viele Betroffene von der Therapie (was aber für Anwendungen von Klistieren und anderen Darmspülungen gleichermaßen gilt), weshalb viele Autoren diese als risikoärmere und preisgünstigere Alternativen empfehlen.

Warnhinweis

Patienten mit Kreislaufschwäche dürfen die Kolonhydrotherapie nicht anwenden.