Vitamine

Dass Nahrung nicht nur wegen ihres Brennwerts wichtig ist, wurde spätestens mit der Entdeckung der ersten Vitamine im Jahr 1908 klar: Es zeigte sich, dass diese Stoffe in ganz kleinen Mengen nötig sind, damit der Körper überhaupt funktioniert. Fehlten sie, so wird der Mensch trotz einer ausreichenden Zufuhr von energieliefernden Fetten, Eiweißen und Kohlenhydraten krank und stirbt.

Dies gilt allgemein für die Mikronährstoffe. Als Mikronährstoffe werden alle Nährstoffe bezeichnet, die für den Körper lebenswichtig sind. Neben den Vitaminen gehören hierzu Mineralstoffe, Spurenelemente und essenzielle Fettsäuren.

Da der Körper sie nicht oder nicht in ausreichender Menge selbst herstellen kann, müssen Vitamine oder ihre Vorstufen (Provitamine) von außen – in der Regel durch die Nahrung – zugeführt werden.

Vitamine werden eingeteilt in die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K und in die wasserlöslichen Vitamine B1, B2, B6, B12, C, H, Folsäure, Pantothensäure und Nikotinsäure.

Vitaminmangel

Vitamine sind für den Stoffwechsel unentbehrlich – ein Vitaminmangel (Hypovitaminose) ruft deshalb häufig schwere, in der Regel aber behandelbare Mangelerkrankungen hervor. Wenn bestimmte Vitamine vollständig fehlen, spricht man von einer Avitaminose – sie kann bleibende Schäden hinterlassen.

Erhebungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ergaben, dass die Vitaminversorgung in Deutschland mit Ausnahme der Vitamine D, Folsäure und Vitamin E im Großen und Ganzen ausreichend ist. Früher gefürchtete Vitaminmangelerkrankungen werden nur noch selten beobachtet. Allerdings gibt es nach wie vor Risikogruppen, bei denen der Vitaminbedarf nicht ausreichend gedeckt wird und die vereinzelt an durch Vitaminmangel bedingten Störungen leiden. Dazu gehören Menschen, die

  • weniger als 1.500 kcal pro Tag (z. B. im Rahmen von Diäten oder im Alter) zu sich nehmen.
  • an Alkoholismus leiden.
  • Störungen bei der Verdauung und Verwertung von Nahrung aufweisen, etwa nach Operationen an Magen oder Darm.
  • vegane oder andere extreme Kostformen praktizieren.
  • sehr einseitige Ernährungsgewohnheiten haben.
  • häufig oder regelmäßig bestimmte Medikamente einnehmen, z. B. Antibiotika, den Blut-Gerinnungshemmer Marcumar® oder das Zytostatikum Methotrexat.

Oft stellt sich ein Vitaminmangel aber auch bei diesen Menschen erst durch ungünstige Ernährungsgewohnheiten ein. So lässt sich z. B. der Bedarf im Alter mit einer ausgewogenen Ernährung durchaus decken.

Im Kindes- und Jugendalter sowie in der Schwangerschaft und der Stillzeit ist der Vitaminbedarf erhöht – eine ausgewogene Ernährung deckt den Mehrbedarf jedoch vollständig ab. Ein besonderes Augenmerk soll dabei frischem Gemüse (schonend gegart) und Obst gelten. Sind bereits Mangelerscheinungen eingetreten, so bilden sich die Beschwerden nach Zufuhr der entsprechenden Vitamine in der Regel zurück. Das fehlende Vitamin muss dabei einzeln und in der richtigen Dosierung zugeführt werden, am besten nach ärztlicher Beratung. Die Dosierung in den überall erhältlichen Multivitaminpräparaten ist dafür meistens zu niedrig.

Vitamine als Nahrungsergänzung

Weil sie die früher so bedrohlichen Mangelkrankheiten wie Skorbut oder Rachitis rasch heilen konnten, hatten Vitamine als Nahrungsergänzungsmittel sehr schnell den Ruf von Wundermitteln. Und noch heute glaubt mancher, Vitaminpillen könnten gegen alle Zipperlein und sogar das Altern vorbeugen. Hierzu allerdings sagen Wissenschaftler ganz klar: Stimmt nicht.

Studien mit Vitaminzusätzen verliefen generell enttäuschend: An 18.000 Rauchern etwa wurde in einem doppelblinden Experiment erprobt, ob Vitamin A und Betacarotin Lungenkrebs vorbeugen – als die Lungenkrebsrate entgegen den Erwartungen anstieg, wurde der Versuch abgebrochen. Auch bei einer groß angelegten Studie mit Vitamin E zeigte sich keine Wirkung auf die Erkrankungshäufigkeit gesunder Versuchsteilnehmer, und auch Patienten mit Herzgefäßerkrankungen standen durch Vitaminzusätze nicht besser da – im Gegenteil: Bei einer täglichen Einnahme von mehr als 200 I. E. Vitamin E stieg das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, um 10 % an. Ebenso erwies sich der Versuch als Fehlschlag, bei Menschen nach einem Herzinfarkt oder bei solchen mit Gefäßerkrankungen oder Diabetes Rückschläge oder weitere Komplikationen durch die Vitamingabe zu vermeiden.

Selbst die hochdosierte Gabe von B-Vitaminen und Folsäure, die lange Zeit Diabetikern mit fortgeschrittenen Nierenschäden empfohlen wurde, hat sich als risikoreich herausgestellt: Bei bestehenden Vorerkrankungen der Niere verschlimmert die Vitamin-B-Therapie die Nierenschäden sogar und birgt ein Herz-Kreislauf-Risiko.

Auch bei Erkältungen sind Vitamine dem hoffenden Zuwarten nicht überlegen. Sogar das altgediente Vitamin C ist neuerdings in Verruf geraten: In einer Studie mit knapp 2.000 Diabetikerinnen hatten diejenigen, die mehr als 300 mg Vitamin C pro Tag einnahmen, ein fast doppelt so hohes Risiko, an Schlaganfall oder Herzinfarkt zu sterben. Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, dass der Höchstgehalt an Vitaminen etwa für Nahrungsergänzungsmittel bisher nicht verbindlich festgelegt ist.

Nur für ein Vitamin ist schlüssig nachgewiesen, dass es auch bei gesunden Menschen vorbeugend wirkt: Die Einnahme von Folsäure in der frühen Schwangerschaft senkt das Risiko, dass das Kind mit einem offenen Rückenmarkskanal (Spina bifida) geboren wird. Ob sich derselbe Effekt durch eine an Gemüse und Obst reiche Ernährung erzielen lässt, ist anzunehmen, aber nicht bewiesen.

In manchen neueren Richtlinien wird älteren Menschen (die oft nicht genug ans Sonnenlicht kommen) die zusätzliche Einnahme von Vitamin D und Menschen über 50 Jahren zudem die Zufuhr von Vitamin B12 empfohlen.

Orthomolekularmedizin

Die Orthomolekularmedizin geht noch einen Schritt weiter: Diese komplementärmedizinische Therapierichtung will nicht nur Vitaminmangelerscheinungen vorbeugen, sondern sieht die Ursache von Hunderten von Erkrankungen – von Allergien und Arteriosklerose bis zur Zahnwurzelentzündung – in einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen (neuerdings auch an bestimmten Fettsäuren und Aminosäuren). Durch Zufuhr hoher Dosen dieser natürlich im Körper vorkommenden Stoffe sollen die entsprechenden Krankheiten geheilt werden. Dabei wird immer ein Gemisch aus verschiedenen Stoffen gewählt, das in weit höheren Dosen gegeben wird, als sie der Körper normalerweise benötigt. Begründet wurde das Konzept durch den Nobelpreisträger Linus Pauling, der sich selbst mit einer „Megavitamin-Therapie“ behandelte (und womöglich deshalb – oder trotzdem – 93 Jahre alt wurde).

Wissenschaftlich ist das Konzept teilweise begründbar: Wenn durch die Zufuhr Mangelzustände behoben werden, so kann dies eine positive Wirkung haben. Allerdings sind bei einer gesunden Ernährung Mangelzustände an Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen nicht zu erwarten. Auch evolutionsbiologisch betrachtet müsste der Mensch auf einen durch eine normale, arttypische Ernährung zu deckenden Bedarf ausgelegt sein.

Die Studien zur Wirkung der orthomolekularen Medizin sind nicht eindeutig. Während sich in manchen Studien positive Effekte zeigen, sind in anderen Untersuchungen keine Wirkungen nachzuweisen – dies gilt besonders für den Bereich Altern (keine Lebenszeitverlängerung durch hochdosierte Vitamine) und Herzerkrankungen (keine geringere Sterblichkeit bei koronarer Herzerkrankung).

Eindeutig sind dagegen die Risiken einer unkontrollierten hochdosierten Einnahme von manchen Vitaminen und Mineralien, insbesondere von Vitamin A (z. B. Leberschädigung), Vitamin D (z. B. Nierensteine), Vitamin E (Störungen der Blutgerinnung), Magnesium (Minderung der Nierenfunktion). Auch Kombinationspräparate bergen zum Teil erhebliche Risiken. So zeigte sich für Frauen in den Wechseljahren, die Vitamin C und Vitamin E in hoher Dosis einnahmen, eine erhöhte Sterblichkeit an koronarer Herzerkrankung. Auch die therapeutische Einnahme hochdosierter Vitaminpräparate bei Tumorerkrankungen ist sehr kritisch zu bewerten.

Vitaminüberversorgung

Eine Vitaminüberversorgung (Hypervitaminose) kommt vor allem bei fettlöslichen Vitaminen, die im Körper gespeichert werden, vor und kann gefährlich sein. Überschüssige wasserlösliche Vitamine können zwar auch Beschwerden auslösen, da sie aber mit dem Urin wieder ausgeschieden werden, braucht es dazu sehr hohe Dosen. Zu einer Überversorgung kommt es vor allem durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Vitaminpräparaten. Sehr selten kann sie auch aus einer einseitigen Ernährung resultieren. Welche Zeichen für eine Vitaminüberversorgung typisch sind, sehen Sie in der Übersicht.

"Die wichtigsten Vitamine, ihre Funktion im Körper, täglicher Bedarf und wie er zu befriedigen ist." Ebenfalls aufgeführt sind Mangelerscheinungen, ausgelöst durch ein Zuwenig an Vitaminen, und Beschwerden, die auf Überversorgung z. B. infolge hochdosierter Nahrungsergänzungsmittel beruhen.

Weiterführende Informationen

L. Burgerstein: Burgersteins Handbuch Nährstoffe. Vorbeugen und heilen durch ausgewogene Ernährung. Haug, 2002. Behandelt Spurenelemente, Vitamine und Mineralstoffe aus orthomolekularmedizinischer Sicht und gibt ausführliche Informationen zu ihrem Einsatz zur Prävention und Therapie.

Die wichtigsten Vitamine, ihre Funktion im Körper, täglicher Bedarf und wie er zu befriedigen ist. Ebenfalls aufgeführt sind Mangelerscheinungen, ausgelöst durch ein Zuwenig an Vitaminen, und Beschwerden, die auf Überversorgung z. B. infolge hochdosierter Nahrungsergänzungsmittel beruhen.